Lustige, spirituelle Geschichte: Was ist Erleuchtung und wie erreiche ich ohne Begehren die begehrte Erleuchtung?
…Und so begann meine Reise zur tropischen Insel – ohne zu wissen, was mich erwartet. Denn es sollte garantiert nicht so sein, wie ich es mir vorgestellt hatte – sondern viel besser. Erwartungen sind immer schöner, wenn man sie von Anfang an einfach loslässt. Angekommen am Mini-Flughafen begrüßte mich auch schon ein Mann mit der Frage “Du Christian?, gab mir freundlich die Hand und zog mich dabei auf eine elegante Art und Weise bereits in die Richtung der Landebahn, wo ein weißes Segelflugzeug mit einer Sonne und einem Dreieck abgebildet war – es schien so, als sollte das Dreieck einen der vielen Sonnenstrahlen darstellen.
Bereits am ersten Tag im Camp Sonnenberg habe ich mich pudelwohl gefühlt – was nicht zuletzt daran lag, dass ich unglaublich freundlich empfangen wurde. Camp-Besitzer Freddy empfing mich herzlich und auch ein paar andere Gäste freuten sich über meine Ankunft und begrüßten mich direkt mit einem leckeren Cocktail. Freddy ist insgesamt ein sehr aufgeschlossener und fröhlicher Mensch, nichts an ihm ist wirklich normal – er ist nicht verrückt..okay, eigentlich doch ein bisschen verrückt – aber in einem guten Sinne. Wenn er geht, scheint er innerlich stets zu irgendeinem Lied zu tanzen und wenn er schläft, atmet er manchmal sogar im Rhythmus seiner Lieblingslieder. Eines davon heißt “Why so serious?”, auf Deutsch “Warum so ernst?”
Einen Satz aus dem Lied murmelt er im Schlaf immer wieder mit einer erstaunlichen klaren Stimme und auch wenn das Lied läuft, ist er mit voller Leidenschaft bei der Sache. Dann singt er in einer leicht schiefen, aber irgendwie sehr angenehmen und beruhigenden Stimme den Lieblingssatz aus seinem Lieblingslied:
“Living with no regrets”, was auf Deutsch soviel bedeutet wie
“Leben ohne Bedauern und Reue”.
Freddy glaubt, dass die meisten Menschen ihre wahre Natur vollkommen vergessen haben und je mehr Zeit ich mit ihm verbrachte, umso klarer wurde mir, was genau er damit meint.
“Erlaubst du es dir denn selbst?”
Am ersten Abend im tropischen Paradies saß ich in der Liege am Strand, als Freddy sich mit einer Whiskey-Flasche, zu mir gesellte. “24 Jahre alt, ein feiner Tropfen”, gab er lautstark und fröhlich kund, kurz danach drückte er mir auch schon ein halb-gefülltes Glas in die Hand.
“Lass es dir schmecken und genieße den Rausch ohne Rausch – ein richtig leckrer Gaumenschmaus.”
Ich verstand keineswegs, was er mir damit sagen wollte, aber ich bedankte mich recht herzlich bei ihm und stieß mit ihm auf meine wohlverdiente Reise und die wundervolle Aussicht an. Man sah prächtige Vögel fliegen, während die Sonne mit einem intensiven Orange am Horizont verschwand und eine erstaunliche Farbmischung aus Grün und Blau am Himmel hinterließ, in die sich ein leichtes Lila einmischte, welches von der Sonne im Hintergrund noch etwas beleuchtet wurde. Wenn es hier am Strand im Dunkeln schon so schön ist…wie schön ist es dann erst im Hellen in der Natur? Dachte ich mir mit einem breiten Grinsen im Gesicht und setzte zum nächsten Schluck an.
Nach einigen Minuten merkte ich, dass mein Glas schon fast leer war. Scheint mir zu gefallen, dieser edle Tropfen, flossen die Wörter durch meinen Geist und ich entschied mich, meiner Lust ausnahmsweise freien Lauf zu lassen.
Auf die Frage, ob ich mir noch ein Glas einschütten darf, erwiderte Freddy:
“Ich weiß nicht – erlaubst du es dir denn selbst?”
Ich schaute ihn verwirrt an, überlegte einen Moment und hörte mich selbst ohne weitere Überlegungen sprechen: “Ja, ich denke, ich erlaube es mir selbst.”
„Ja dann greif doch einfach zu.“, erwiderte er selbstverständlich.
Freddy macht schon einen merkwürdigen Eindruck.
Einen Eindruck, der des Merkens würdig ist.
Plötzlich rutschte mir eine Frage raus und ich bin mir nicht sicher, ob ich die Frage selbst gestellt habe oder, ob sich da irgendwas in mir spontan verselbstständigt hat:
“Freddy, bist du erleuchtet?”
“Ob ich erleuchtet bin?”, schmunzelte mich Freddy mit einem frechen und freude-strahlenden Lächeln an, “selbstverständlich bin ich erleuchtet und du bist es auch”. Daraufhin erwiderte ich, dass ich bisher noch nichts von meiner Erleuchtung mitbekommen habe – zumal ich nicht einmal genau weiß, was das überhaupt ist. Klar habe ich schon öfter mal von indischen Gurus gehört, die wahre Wunder vollbracht haben und mich auch schon mit der Meditation beschäftigt, welche bis heute wirklich anhaltende, positive Auswirkungen auf mein Leben hat. Ich bin ruhiger geworden, habe einen klareren Kopf und allgemein fühle ich mich immer fitter, seitdem ich nun seit über einem Jahr regelmäßig meditiere. Obwohl es während der Meditation ja eigentlich gar kein Zeitempfinden gibt. Naja, wie auch immer:
Ich fügte dementsprechend hinzu, dass ich zwar seit einiger Zeit meditiere, aber mit der Erleuchtung wie gesagt nichts am Hut habe und fragte schließlich:
“Wie kommst du darauf, dass ich erleuchtet bin?”
“Ganz einfach – wenn ich erleuchtet bin, musst du es auch sein.” Die Logik dieses Menschen ging mir einfach nicht in den Kopf, aber irgendwie ermutigte mich sein grenzenloses Lächeln, noch näher auf die Thematik der Erleuchtung einzugehen.
“Okay, du bist also erleuchtet und ich bin erleuchtet. Kannst du mir auch erklären, weshalb wir erleuchtet sind und was die Erleuchtung ist?”, fragte ich ihn leicht genervt, aber interessiert mit einer erwartungsvollen und leicht vorwurfsvollen Tonlage.
“Nein, das kann ich dir nicht erklären – aber ich kann dir zeigen, wie du es fühlst.”, bot mir Freddy mit einem leicht hämischen Grinsen an.
“Ich würde es aber gerne verstehen und nicht nur fühlen.”, erwiderte ich nun noch interessierter und gleichzeitig noch genervter als zuvor.
“Bist du dir sicher? Stell dir vor, du kannst das Gefühl von absoluter Freiheit und Freude fühlen oder du kannst verstehen, was Freiheit und Freude ist. Willst du es wirklich lieber verstehen, anstatt zu fühlen?”, Freddys Grinsen wurde noch breiter, doch gleichzeitig wurde er auch ein bisschen ernst – es war das erste Mal, dass ich überhaupt ein Zeichen von Ernsthaftigkeit in seinem von Freude überschäumenden Gesicht sah.
Freddy fragte mich erneut:
“Willst du Freiheit und Freude wirklich nur verstehen oder bist du bereit, die Liebe zu fühlen?”
Ich verstummte für einige Sekunden und eine totale Leere machte sich in mir breit. “Logisch will ich Freiheit und Freude fühlen”, antwortete ich in einem bestimmten Ton und diese innere Leere verschwand, sodass ich wieder einen klaren Kopf bekam.” Daraufhin grinste Freddy. “Viele Menschen wünschen sich Zufriedenheit. Ich sage immer, wenn du im Satz “Ich will Zufriedenheit” die Wörter “Ich” und “will” streichst, bleibt Zufriedenheit übrig.
Kaum hatte ich einen klaren Kopf, wurde ich auch schon wieder durch Freddys Worte verwirrt.
“Freddy, ständig verwirrst du mich.”
“Verwirrung ist gesund – in einer gewissen Dosis”, erklärte Freddy mit einer tiefen Stimme, die irgendwie an Dumbledore erinnerte. Auch sonst ähnelt Freddys Auftreten dem Erscheinungsbild von Dumbledore – wenn auch etwas moderner, mit kürzerem Bart und entspannter Badehose – auf den Philippinen oberkörperfrei, ohne Zauberstab, dafür mit Surfbrett, versteht sich.
Hm, kann sein – erwiderte ich und dachte noch einmal über den vorherigen Satz nach. Wenn man das “Ich” und das “will” streicht, bleibt Zufriedenheit übrig…Klar, dachte ich, bevor ich meine Erkenntnis laut und stolz aussprach:
“Jetzt machts Sinn. Wenn ich nichts mehr will, kann ich auch nicht unglücklich sein.”
“Stimmt – wenn du nichts willst, kannst du nicht unglücklich sein. Und wenn du gar nicht über glücklich und unglücklich nachdenkst, kannst du zufrieden sein.”
“Ziemlich weise, Du bist schon eine interessante Persönlichkeit.”
“Ich bin keine Persönlichkeit, ich spiele eine Persönlichkeit”, kam es bei Freddy ruckartig mit einem noch breiteren Grinsen herausgeschossen. Mal wieder hatte ich keine Ahnung, was er mir damit sagen wollte, doch diesmal verzichtete ich auf weitere Nachfragen und genoss lieber die herrliche Aussicht und den leckeren Whiskey.